Mensch oder Maschine?

Einzeln stark, im Team noch stärker

Vernetzung ist das Mantra der Stunde: Alles wird mit allem vernetzt und jedes Elektrogerät und jede Maschine bekommen dazu am besten noch eine eigene IP-Adresse. Das Ergebnis ist das enorm wachsende Internet der Dinge (Internet of Things, kurz IoT). Das technisch hoch komplexe Konzept hat in der Praxis für Unternehmen viele Vorteile: Daten von Sensoren können Produktionsprozesse steuern oder für optimale Wartungsintervalle und damit möglichst geringe Ausfallzeiten von Maschinen sorgen. Sensoren bilden auch das Rückgrat von Smart Citys und Smart Homes und sorgen dafür, dass Züge pünktlich fahren. Aus dem Status einer Zukunftsvision ist das IoT schon lange herausgewachsen und steuert immer stärker im Hintergrund unseren Alltag.

Aber das Potential ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft, wie der Bereich BrainTech eindrucksvoll zeigt. Zahlreiche Startups forschen an Einsatzmöglichkeiten von Sensoren und Geräten, die auf dem oder sogar im menschlichen Körper platziert werden und dann unterschiedlichste Daten an Klinik- und Forschungsteams übermitteln. Mit im Rennen um das „Internet des Körpers” sind auch Firmen wie Facebook oder Neuralink von Tesla-Gründer Elon Musk. Sie wollen das Gehirn mit Computern verbinden, um Krankheiten zu heilen, neue Interfaces zur Steuerung von Rechnern zu entwickeln oder Gedanken zu lesen. Für einige klingt das nach fantastischen Zukunftsaussichten, für andere eher nach einer Horrorvision.

100 Milliarden Neuronen

Das menschliche Gehirn ist allerdings weitaus komplexer als alle Rechner, die bisher entwickelt wurden. Durchschnittlich 100 Milliarden Neuronen empfangen, verarbeiten und transportieren dort Informationen mit Hilfe elektrischer und chemischer Signale. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren moderne neuronale Netze, welche die Basis künstlicher Intelligenz bilden, wie wir sie heute kennen. Allerdings ohne dabei auch nur annähernd die Komplexität des natürlichen Vorbildes zu erreichen. Fallstudien zeigen aber, dass Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer-Interface, kurz BCI) prinzipiell möglich sind.

Aber mit Bezug auf den menschlichen Körper ist die Sachlage nicht vergleichbar mit der Entwicklung eines neuen Siliziumchips. Neben der Menge an Zellen kommt hinzu, dass jedes Gehirn ein Unikat ist und sich darüber hinaus auch noch andauernd verändert. Kurz gesagt, es ist kompliziert. Aber man darf niemals den technischen Fortschritt durch Forschung unterschätzen. Die Wissenschaft hat bisher immer Möglichkeiten gefunden, neue und bessere Maschinen zu entwickeln, Daten effizienter zu nutzen und letztendlich noch bessere Ergebnisse sowie Profite zu generieren.

Ich weiß, was du denkst!

Einige Forscher behaupten, dass sogar das Auslesen von Gedanken technisch einmal möglich sein wird. Wenn das auch in umgekehrte Richtung funktioniert, könnte man sich vielleicht sogar einmal eine neue Fremdsprache oder hohe Mathematik implantieren lassen – das hätte wieder einen gewissen Charme. Bereits heute gibt es Experimente, in denen sich Roboter mit dem menschlichen Gehirn steuern lassen. So hat die Johns Hopkins University erfolgreich Roboterarme entwickelt, die der Benutzer durch Sensoren steuern kann, die direkt an seinem Nervensystem befestigt sind. In klinischen Fallstudien ist es auch bereits gelungen, dass vollständig gelähmte Menschen mit der Kraft ihrer Gedanken über einen Computer kommunizieren oder einen Rollstuhl lenken können.

Technisch werden dabei Signale aus einem EEG (Elektro-Enzephalogramm) ausgelesen, analysiert und dann über Machine-Learning-Systeme in Steuersignale umgesetzt. Es existieren auch bereits Lösungen, die BCI praktisch nutzen, dazu gehören beispielsweise Cochlea-Implantate. Diese Geräte helfen Menschen mit schweren Beeinträchtigungen beim Hören, Geräusche, insbesondere Sprache, besser zu verstehen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Hörgeräten, die im Prinzip nur Signale verstärken, also alles einfach nur lauter klingen lassen, verwenden Cochlea-Implantate elektrische Signale, die direkt den Hörnerv zum Gehirn stimulieren.

Einzeln stark, im Team noch stärker

Das Potenzial in diesem und anderen Segmenten ist riesig. Kein Wunder also, dass immer mehr internationale Unternehmen in die Technologie investieren. So auch Hitachi, die in vielen IT-Sektoren aber auch in der Gesundheitsbranche aktiv sind. Das Unternehmen unterstützt beispielsweise Krankenhäuser dabei, einen strategischen Umgang mit Daten zu entwickeln, um so den Patienten eine bessere Versorgung zu bieten. Zudem stellt man Kliniken Mittel zur Verfügung, damit Ärzte die Genomik ihrer Patienten leichter sequenzieren und die Daten mit einer Präsenzbibliothek vergleichen können. Die Daten können so analysiert und eine entsprechende Behandlungsmöglichkeit abgeleitet werden.

Aber kein Unternehmen wird alleine die aufkommenden Herausforderungen bewältigen und daher ist Hitachi Mitglied der Alliance for Internet of Things Innovation, um IoT-Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten in Branchen wie dem Gesundheitswesen zu unterstützen.

Fortschritt ist kein Selbstzweck

Auch wenn echtes BCI, vor allem in Verbindung mit dem Internet der Dinge, noch ein paar Jahre auf sich warten lassen wird, zeichnet sich die Entwicklung deutlich ab: Schon jetzt nutzen allein in Deutschland über sechs Millionen Menschen Apps oder Wearables zur Überwachung und Analyse ihrer Gesundheitsdaten, „Self Optimization” ist ein großer Trend. Technologie hilft in dem Konstrukt dabei, Daten zu gewinnen, auszuwerten und so neue Erkenntnisse zu erhalten sammeln, um sich selber weiter zu entwickeln und Dinge effektiver und besser zu machen. Aber natürlich gibt es auch berechtigte ethische und datenschutzrechtliche Bedenken. Menschliche Körper zu vermessen und zu analysieren sollte vorrangig dazu dienen, individuell seine eigene Gesundheit zu verbessern.

Das Internet der Dinge und neue Technologien werden einige der genannten Visionen Wirklichkeit werden lassen, auch wenn diese heute noch utopisch erscheinen. In diesem Kontext ist es wichtig, neue Anwendungen kritisch nach Nutzen und Moral zu hinterfragen und nicht nur Profitmaximierung anzustreben. Daten sind nicht nur das Öl der Zukunft, sie stehen im Zentrum von Innovationen, neuem Denken, neuen Ideen und neuen Lösungen. Daten werden zu einem der mächtigsten Werkzeuge, und wenn sie richtig eingesetzt werden, können sie der Menschheit und der Forschung helfen, sich weiter zu entwickeln. Dabei obliegt es der Verantwortung der Menschen, sie richtig einzusetzen.

 

Autor: Wael Elrifai, VP Digital Insights Solution Engineering bei Hitachi Vantara