Was ist wirklich wirklich? – Wie Medien unseren Blickwinkel verändern

Medien manipulieren uns. Das wissen wir alle, und wir sind daran gewöhnt.
Und dabei meine ich das Wort “manipulieren” noch nicht unbedingt negativ.

Es war schon immer so, dass Berichterstattung – früher auch als Geschichtsschreibung bekannt – recht einseitig war. Geschichte schreiben eben immer nur die Gewinner, kaum die Verlierer. Sieht man sich die gemalten Darstellungen unseres österreichischen Nationalhelden Andreas Hofer an, sind die Bilder sehr unterschiedlich. Österreichische Maler malten ihn groß, ernsthaft, heroisch, mit festem Blick. In bayerischen Darstellungen kommt Andreas Hofer mehr als der untersetzte Möchtegern-Held, unsicher und tölpelhaft rüber. Klar, er hat ihnen ja auch einiges angetan, das lässt man nicht so leicht auf sich sitzen und rächt sich auf diese Weise

Es war also schon immer so.

Aber was geschieht gerade heute?

Die Medien leben davon, was Menschen gerne hören, lesen oder sehen wollen. Was interessiert die Menschen heutzutage noch? Was kann sie heutzutage noch vom Hocker reißen?
Auch dieses Rezept ist so alt wie die Menschheit selbst: Sex & Crime.

Sogenannte “Enthüllungsreporter” zerren dann um der angeblichen Wahrheit willen alles ans Licht, was man wissen will – oder eigentlich lieber gar nicht wissen will.
Und sie bewirken damit eines: Mag ja sein, dass damit auch die Wahrheit ans Licht kommt. Doch der Nebeneffekt, der schließlich zur Hauptattraktion wird, ist, dass der, um den es geht, reduziert wird, auf diesen einen Moment, in dem er/sie Schwäche gezeigt hat oder gar verstorben ist.

Edouard Stern. Vielleicht noch dem ein oder anderen Leser hier ein Begriff. Einer der reichsten Männer Frankreichs, Bankier, Financier. Gutaussehend, gebildet, erfolgreich. Bis zu dem Tag, an dem seine Geliebte, die ihn in einem Latex-Anzug an einen Sessel gefesselt hat, aus Angst vor einer Trennung und vermutlich Eifersucht, erschoss. Die Presse förderte alles an den Tag, was es zu enthüllen gab. Sexualpraktiken, Vorlieben, usw. Plötzlich war nur mehr interessant, wann er was mit der Frau (oder sie mit ihm) im Bett getan hatte und was genau alles an diesem Tag, in der Stunde, ja Minute seines Todes in ihr und ihm vorgegangen war.
Das Ende vom Lied ist, dass an ihn nur die Erinnerung bleibt, dass er im Latexanzug (der auch eine enorme Rolle im Prozess gegen die Geliebte spielte) erschossen wurde. (die Pistole hat er ihr übrigens geschenkt).
Was für ein Mensch das sonst noch war, wissen wir nicht, interessiert uns von diesem Zeitpunkt an auch nicht mehr. Aber vor diesem Geschehen war er zumindest ein fähiger Bankier, ein würdiges Mitglied der Gesellschaft. Das ist alles vergessen dadurch, dass die Medien den Fokus auf diesen einen Sachverhalt gelenkt haben.

Interessant: ruft man in Wikipedia die Seite über Herrn Stern auf, so fällt ins Auge, dass zu seinem Leben genau 3 Zeilen geschrieben wurden. Wenig detailliert, nur Aufzählungen seiner Tätigkeiten. Dem Punkt Ermordung und Mordprozess wurden insgesamt 6 Zeilen gewidmet und auch findet der Latexanzug Erwähnug (übrigens mit einer farblich hervorgehobenen Verlinkung zu “Latex”).

Was bleibt also in Erinnerung von der Persönlichkeit eines Menschen? Das, was die Medien uns glauben machen wollen.

Selbst wenn das Schicksal nicht so grausam ist, wie bei Edouard Stern, bleibt der Makel ewig kleben. Denn selbst wenn Jörg Kachelmann nun freigesprochen wurde (war ja “nur” ein Freispruch zweiten Grades), weiß niemand genau, was wirklich geschehen ist und deshalb glauben wir einmal die Story vom verkappten Sex-Unhold, der mehrere Frauen gleichzeitig unterhielt.
Sein Leben ist so oder so kaputt – er kann nur mehr auswandern, eine andere Identität annehmen. Fernsehliebling wird er nicht mehr werden, es sei denn er spendet beide Nieren gleichzeitig bei Oprah Winfrey oder bekommt eine furchterregende, bemitleidenswerte Krankheit (nicht HIV natürlich), wo man ihn dann wieder in die Medien zerren kann.

Dasselbe gilt für Strauss-Kahn und Assenge.
Wen interessiert es, ob sie die Damen wirklich vergewaltigt haben oder nicht? Sie sind quasi schon jetzt verurteilt und selbst wenn sie vorher das Leben von Heiligen geführt hätten, wäre hier jetzt Schluss.
Über ihre Qualifikationen in ihren Jobs redet seit dem Tag ihrer Verhaftung niemand mehr. Was sie eventuell Gutes in ihrem Leben getan haben – völlig egal.

Darüber also, ob jemand als Held oder Monster in die Geschichte eingeht, entscheiden einzig und allein die Medien.

Und was hat dieser Beitrag nun mit dem Thema dieses Blogs zu tun?

Vielleicht nichts – vielleicht aber auch alles, denn im Grunde beginnt auch die Sicherheit in der Technik mit der Frage: wie genau schauen wir hin.

Eure Astrid