Interview zum Status von Quantum Computing mit François Bitouzet, Managing Director von Viva Technology
F. Bitouzet: Quantum Computing transformiert unsere Technologielandschaft grundlegend. Es verspricht eine enorme Steigerung von Rechenleistung – um nicht zu sagen, einen Quantensprung! Berechnungen, für die ein heutiger Supercomputer Tausende von Jahren bräuchte, führt ein Quantencomputer in wenigen Minuten durch.
Erstaunlich dabei ist, wie Quantum Computer funktionieren. Klassische Computer führen Aktionen aus, indem sie Bit-Sequenzen verwenden. Dabei kann ein Bit entweder eine Null oder eine Eins sein. Quantum Computer hingegen nutzen Qubits. Ein Qubit kann gleichzeitig eine Eins und eine Null sein – ein Zustand, der als Superposition bezeichnet wird. Durch diese Überlagerung der Qubits ist es möglich, Berechnungen gleichzeitig auszuführen, anstatt nacheinander.
Lassen Sie mich diesen komplizierten Vorgang mit einem Beispiel verdeutlichen. Wenn Sie gegen einen Supercomputer Schach spielen, berechnet dieser durch „Trial and Error“ den besten Weg, um Sie rasch schachmatt zu setzen. Dabei simuliert er jeden einzelnen Zug nacheinander mehrfach. Das macht er so lange, bis er die beste Option gefunden hat. Ein Quantum Computer spielt dieselben Züge und Varianten durch – allerdings simultan! Mit dem Ergebnis, dass er Sie unglaublich viel schneller matt setzt.
Was mich daran begeistert ist, dass Quantencomputing heute schon nahezu ausgereift ist. Wir sehen bereits praktische Anwendungen, die bis vor kurzem nur theoretisch denkbar waren. Quantum Computing wird damit immer greifbarer. Und genau deshalb steht es dieses Jahr im Mittelpunkt. Die Vereinten Nationen haben 2025 zum Jahr der Quantenwissenschaft benannt und das Gleichgewicht von Innovation und Kontrolle im Bereich der Quantentechnologie ist eines der Kernthemen der VivaTech 2025, Europas größter Startup- und Technologieveranstaltung.
Welche Auswirkungen hat Quantum Computing auf die Cybersicherheit?
F. Bitouzet: Es herrschen viele Missverständnisse in Bezug auf Quantentechnologie und Cybersicherheit. Die Menschen befürchten, dass Quanten-Rechenleistung genutzt werden könnte, um bestehende Codes im Handumdrehen zu knacken. Bis vor einigen Jahren noch war diese Befürchtung absolut nachvollziehbar. Doch inzwischen hat sich die Bedrohungslage geändert.
Zum einen hat sich die Cybersecurity-Branche mittlerweile auf die reale Nutzung der Quantentechnologie eingestellt und bereits begonnen, Verschlüsselungslösungen für eine „Post-Quantum-Ära“ zu entwickeln. Zum anderen werden Quantencomputer auch künftig so kostspielig und technisch hochspezialisiert sein, dass nur ganze Nationalstaaten und einige wenige der weltweit größten Unternehmen sich diese leisten können. Auf Ihrem Schreibtisch wird kein Quantencomputer stehen. Und auch nicht auf dem der Cyber-Kriminellen, die sich in Ihr Netflix-Konto hacken wollen.
Und auf der anderen Seite hat Quantum Computing das Potenzial, Cybersicherheit auf nationaler Ebene ganz neu zu definieren. Genau dort, wo die Bedrohungen durch Quantentechnologie realistischer sind. Für die Länder wird es also darum gehen, einen Weg zu finden, nicht nur über Quantentechnologie zu verfügen, sondern diese auch als „Tool“ für den eigenen Schutz einzusetzen.
Wie bereiten sich Europa und die Welt auf die Quantentechnologie vor?
F. Bitouzet: Die Weltmächte investieren hier massiv, allen voran China. Die globalen Investitionen nähern sich derzeit der 50-Milliarden-Euro-Marke. Deutschland hat 2023 einen Investitionsplan von über 3 Milliarden Euro vorgelegt. Und Frankreich hat in den letzten vier Jahren circa 2 Milliarden Euro veranschlagt, wobei die Investitionen von Jahr zu Jahr beträchtlich ansteigen.
Europa wird dank vielversprechender Start-ups wie Planqc in Deutschland sowie Pasqal und Candela in Frankreich zu einem zentralen Player der Quantentechnologie. Die Herausforderung besteht nun darin, unseren Vorsprung zu halten. Der deutsch-französischen Zusammenarbeit kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Mit ihrer Hilfe lässt sich das Potenzial der Quantentechnologie erschließen und Europas Spitzenposition sichern. Deshalb findet auf der VivaTech 2025 auch zum vierten Mal ein deutsch-französisches Tech Lab statt.
Wie wird sich Quantum Computing auf KI auswirken?
F. Bitouzet: Es könnte KI revolutionieren. Wir haben bereits über die außergewöhnlichen Leistungen von Quantencomputing gesprochen, die mehr Berechnungen bei höherer Geschwindigkeit bedeuten. Damit lassen sich „Trial and Error“-Tests zur Optimierung neuerer KI-Modelle deutlich effizienter durchführen. KI und Quantum Computing werden in Zukunft sehr wahrscheinlich symbiotisch zu sehen sein. Denn KI kann ihrerseits Quantencomputing unterstützen, indem sie beispielsweise dessen Algorithmen verbessert.
Positiver Nebeneffekt: Mithilfe von Quantum Computing lässt sich der durch KI verursachte Energieverbrauch reduzieren. Derzeit geht man davon aus, dass Rechenzentren im kommenden Jahrzehnt das Sechsfache an Strom benötigen werden – ein Problem, dem man mit Quantencomputern begegnen könnte. Denn diese arbeiten hypereffizient und ihr Stromverbrauch steigt nicht mit der Anzahl der durchgeführten Berechnungen.
Wie geht es jetzt weiter?
F. Bitouzet: Google und IBM hoffen auf einen voll funktionsfähigen Quantencomputer bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Und Jensen Huang, CEO von Nvidia, prognostiziert, dass Quantencomputer in einem Zeitraum von 15 bis 30 Jahrenkommerziell nutzbar sein werden. Derzeit weiß noch niemand genau, wann es so weit sein wird. Die Technologie steht jedoch bereit und wird die gesamte Industrie und die Welt um uns herum verändern.
##
Spannende Sessions rund um das Thema Quantum Computing erwarten Sie vom 11. bis 14. Juni auf der VivaTech in Paris.