DSGVO-Abmahnhaien den Zahn ziehen

Abmahnhaien den Zahn ziehen

Unseriöse Abmahnungen haben sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt und mit der DSGVO drohte die nächste Abmahnwelle. Die Politik will dem einen Riegel vorschieben, damit sich Unternehmen schützen können.

Im Leben wie auch in der Wirtschaft gibt es Regeln, Vorschriften, Gesetze, an die sich jeder halten muss. Wer bei Rot über die Ampel geht oder eine nur einseitig gewollte Eigentumsübertragung (vulgo Diebstahl) begeht, weiß um die Konsequenzen. Für Unternehmen ist dieses Regelwerk je nach Branche extrem komplex. Eine Einhaltung der Regeln ist aber Voraussetzung dafür, dass sich niemand einen irregulären Wettbewerbsvorteil verschafft. Um Wettbewerber auf wettbewerbswidriges Verhalten aufmerksam zu machen und eine Einstellung desselben zu verlangen, wurde das Instrument der Abmahnung geschaffen. Damit wird der unfair spielende Konkurrent angehalten, ein bestimmtes Verhalten einzustellen, es nicht mehr zu wiederholen sowie diesbezüglich eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Abmahnungen sind ein Instrument zur Selbstregulation in der Wirtschaft und dienen dazu, rechtliche Auseinandersetzungen außergerichtlich und kostengünstig beizulegen. Sie sind schnell und unkompliziert aufzusetzen. Allerdings hat genau dies in den letzten Jahren vermehrt zu Missbrauch geführt hat. Mittlerweile ist eine Art „Abmahnindustrie” entstanden, die sich speziell für einige skrupellose Anwälte oder Vereine als sehr lukrativ erwiesen hat. Ein fehlendes oder mangelhaftes Impressum auf einer Webseite oder eine falsche Formulierung in den AGB konnte da ebenso abgemahnt werden wie eine falsche Copyright-Angabe für ein verwendetes Bild.

Mit Gesetzen gegen die Abmahnindustrie

Nach Einführung der DSGVO fürchteten zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und Vereine horrende Bußgelder. Bislang ist eine Abmahnwelle zwar ausgeblieben, doch Fälle mit dubiosen Abmahnschreiben sorgten für vermehrtes Aufsehen. Seitens der Wirtschaft wächst der Druck auf den Gesetzgeber, dem nun endlich einen Riegel vorzuschieben.

Und die Politik reagiert: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) plant, missbräuchliche Abmahnungen durch ein neues Gesetz einzudämmen, weil die geltenden Rechtsgrundlagen wie etwa das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken dafür nicht ausreichen.

Im Mai diesen Jahres wurde der Regierungsentwurf „RegE: Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ vorgelegt, in dem ein Ausschluss des Aufwendungsersatzes für Mitbewerber und qualifizierte Wirtschaftsverbände bei unerheblichen Verstößen festgelegt wird. Der Entwurf sieht dabei gezielte Änderungen in verschiedenen Gesetzen wie dem UWG, dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) sowie im Gerichtskostengesetz (GKG) vor. „Abmahnungen sollen nur im Interesse eines rechtstreuen Wettbewerbes oder zur Durchsetzung von Verbraucherrechten erfolgen und nicht zur Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen“, heißt es im Papier des BMJV.

Folgende Maßnahmen werden zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs beschrieben:

  • Höhere Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen
    Zum einen sollen die Voraussetzungen für eine Klagebefugnis im UWG verschärft werden. Der Abmahnende muss in nicht unerheblichem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen, um anspruchsberechtigt zu sein. Zum anderen sollen nur besonders qualifizierte Verbände abmahnen dürfen. Laut Entwurf sind das nur diejenigen, die auf der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind.
  • Verringerung finanzieller Anreize für Abmahnungen

Abgemahnte sollen vor zu hohen Vertragsstrafen geschützt werden. Laut Entwurf dürfen Vertragsstrafen eine Höhe von 1.000 Euro nicht übersteigen, um den finanziellen Anreiz für Anwälte und Vereine zu verringern. Nach herrschender Meinung ist allerdings auch diese Summe noch zu hoch.

  • Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands

Kleine und mittelständische Unternehmen sollen davor geschützt werden, dass einstweilige Verfügungen gezielt bei von deren Sitz weit entfernten Gerichten beantragt werden, nur um den Betroffenen die Rechtsverteidigung zu erschweren.

  • Weitere Maßnahmen

Darüber hinaus sind in dem Gesetzentwurf weitere Maßnahmen vorgesehen, wie mehr Transparenz, vereinfachte Möglichkeiten zur Geltendmachung von Gegenansprüchen sowie die Kontrolle und Meldung unseriöser Akteure.

Sind Abmahnungen zur DSGVO rechtens?

Vollständig werden sich missbräuchliche Abmahner aber auch durch schärfere Gesetze nicht abhalten lassen. In den Unternehmen muss ein Umdenken erfolgen: Anstatt darüber zu diskutieren, wie sich Abmahnungen abwehren lassen, sollte das Augenmerk stärker darauf gerichtet werden, wie Regelungen sinnvoll eingehalten werden können.

Einige einfache Tipps helfen Unternehmen, das Risiko deutlich zu minimieren: Zuallererst, auch wenn es banal klingt, sollten Unternehmen alles daran setzen, bestehende Rechtsvorgaben, insbesondere beim Datenschutz, konsequent einzuhalten, um unseriösen Anwälten oder Vereinen keine Angriffsfläche zu bieten. Wenn Verstöße intern festgestellt werden, so müssen diese unverzüglich nachgebessert und aufgearbeitet werden, um zukünftig nicht wieder zum Problem zu werden. Bei Unklarheiten besteht immer die Möglichkeit, den Kontakt zu den Behörden aufzunehmen und konkret nachzufragen, diese Option wird viel zu wenig genutzt. Und last but not least sollten Unternehmen, die Schreiben von Abmahnanwälten erhalten, diese vom eigenen Rechtsbeistand prüfen lassen.

Insbesondere die DSGVO ist aus wettbewerbsrechtlicher Sicht gerade stark in der Diskussion. Rechtlich gesehen ist die Frage, ob Verstöße hier überhaupt abmahnbar sind, umstritten. Während das Oberlandesgericht Hamburg sowie das Landgericht Würzburg Verstöße gegen die DSGVO als Wettbewerbsverletzungen und somit gerichtlich von Mitbewerbern verfolgbar einstufen, wird diese Einschätzung von den Landgerichten Bochum und Stuttgart verneint. Die Europäische Kommission vertritt die Position, dass in anderen als den in Artikel 80 DSGVO genannten Fällen Dritte keine Klagebefugnis haben.

Endgültig wird aber erst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Licht ins Dunkel bringen. Die aktuelle Rechtslage schafft noch keine Klarheit für die Unternehmen – aber wie auch immer die Gesetze und Rechtsauslegungen zukünftig aussehen werden: Es ändert nichts daran, dass es sicher der beste Weg ist, die bestehenden Vorschriften und Gesetze nach bestem Wissen und Gewissen einzuhalten und damit den Abmahnhaien bereits im Vorfeld den Zahn zu ziehen.