Der Glaube kann Berge versetzen

Dies soll kein religiöser Artikel werden!
Der Gedanke zu dem Thema kam mir gestern bei den Nachrichten. Ich schaue Nachrichten nur höchst selten, aus den Gründen, die ich schon in meiner Story “Was ist wirklich wirklich” erwähnt habe. Doch gestern kam ich praktisch unvermutet dazu.

Und da war dieser Beitrag über Libyen. Die Rebellen, die kolportierten, dass die Sohne Gadaffis (ich habe versucht zu recherchieren, wie man ihn nun richtig schreibt: Gaddafi oder Gadaffi – offenbar sind sich die Medien darüber aber nicht so ganz einig) nun tot seien. Kurze Zeit später meldeten sich die Toten jedoch zurück und sahen putzmunter aus. Ein einfacher Informationsirrtum?

Das denken wohl ohnehin die wenigsten. Medien als Stimmungs- und Meinungsmacher – das ist schon so alt wie die Menschheit selbst.
Wie lockt man die letzten Reserven aus Kämpfern? In dem man ihnen Glauben macht, kurz vor dem Ziel zu sein.
Wie demotiviert man Rebellen? Indem man ihnen zeigt, dass sie noch weit, weit entfernt sind von einer Zielerreichung.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Doch wen interessiert die Wahrheit?

Verunsicherung und Angst entstehen (bitte das ist jetzt sehr vereinfacht erklärt) dadurch, dass die sogenannte Realität nicht mit dem übereinstimmt, wie wir die Situation interpretieren.

Einfaches Beispiel: Angenommen, ich halte Verkäufer grundsätzlich für ehrliche, freundliche Menschen (und habe eventuell auch ein paar gute Erfahrungen diesbezüglich gemacht), dann kann der Verkäufer, der mir gerade ein Auto verkauft, noch so unfreundlich sein, ich glaube, trotzdem, dass er eine ehrliche Haut ist und finde positive Entschuldigungen für sein Verhalten. Im umgekehrten Fall, wo ich annehme, dass alle Verkäufer linke Agenten sind, wird keine Freundlichkeit der Welt mich überzeugen, dass es anders ist.

Wie sehr interessieren wir uns also für die Fakten? Was WOLLEN wir glauben. Vielleicht wollen die Rebellen glauben, dass Gadaffis Söhne tatsächlich tot sind und die gezeigten Bilder altes Filmmaterial, sodass das Ende der Revolution in Sicht ist. Vielleicht ist dieser Glaube ja auch hilfreich? Können wir das, die wir Tausende Kilometer entfernt sind und eine verzerrte Berichterstattung erleben, das wirklich beurteilen?

In diesem Zusammenhang fällt auch der Übergang zum Fall Strauss-Kahn nicht schwer. Die Anklage gegen ihn wurde fallengelassen. Was heißt das nun? Ist er das Sex-Monster, zu dem er abgestempelt wurde/wird oder ist er es nicht? Ist das Opfer eine Lügnerin oder ist sie es nicht?
Hat er seine Macht missbraucht, ja oder nein?

Was passt besser in unser persönliches Weltbild?
Welche sinnesspezifisch wahrnehmbare Fakten lasse ich zu und welche nicht, um meine Meinung zu bilden?

An dieses selbstproduzierte Bild glaube ich dann und nichts auf der Welt kann mich davon abbringen.

Und ich glaube deshalb daran, dass letztlich der Ausgang mancher Situationen nur davon abhängt, wer mehr an sein Weltbild geglaubt hat.
Die Rebellen, die daran glauben, dass alles, was nun geschieht, nur ihrer Sache dient, egal wie lange es dauern möge.
Der Gadaffi-Clan, der daran glaubt, dass ihre Sache die bessere sei und deshalb werden sie irgendwann obsiegen, egal wie lange es dauert.
Das Zimmermädchen, das daran glaubt, dass ihre Geschichte anderen missbrauchten Frauen helfen wird, egal ob Strauss-Kahn verurteilt wird oder nicht. Bestraft ist er ja gewissermaßen schon, weil seine Karriere praktisch vorbei ist.

Die Entscheidung, was wir glauben wollen, liegt bei uns und bei niemandem anderen. Die Verantwortung für die daraus resultierenden Konsequenzen jedoch auch.