Zu einfach?

Menschen zu manipulieren (und das meine ich hauptsächlich im positiven Sinn) ist so einfach, dass ich lange überlegt habe, ob ich diesen Artikel überhaupt schreiben soll. Auf das, was ich gleich erzählen werde, dachte ich würde jeder sofort kommen und das würde das Unterfangen zunichte machen.

Aber von vorne:

Eine Klientin kam zu mir und klagte mir ihr Leid. Sie habe einige Wochen zuvor auf einer Single-Börse einen netten Mann kennen gelernt. Durch verschiedene negative Erlebnisse sei sie vorsichtig geworden und habe sich eher zurückhaltend gezeigt. Doch der nette Herr ließ nicht locker und so willigte sie schließlich ein, ihn zu treffen, obwohl sie wegen einiger Kriterien Bedenken hatte. Das Treffen verlief erfolgreicher als sie sich gedacht hatte. Der Mann schien sich von allem, was sie bisher gekannt hatte, zu unterscheiden und machte den Eindruck, sich komplett in sie verliebt zu haben und eine fixe Beziehung anzustreben. Trotzdem blieben bei ihr wegen der besagten Kriterien Zweifel und sie beschloss, die Zeit mit ihm zu genießen, aber sich nicht zuviel einzulassen. Er seinerseits pochte darauf, dass er nach einer festen Partnerschaft strebe und sie die Erfüllung all seiner Wünsche und Träume sei.

Nach einer Woche intensivstem Kontakt und intensivstem Werben seinerseits, fiel es ihr der Gedanke leichter, dass da etwas mit Bestand heranwuchs. Trotzdem passten für sie manche Dinge nicht wirklich zusammen. Nachdem auch die Intimkontakte (scheinbar) zur beiderseitigen Zufriedenheit verlaufen waren, blieb für sie eigentlich nur mehr der Punkt, dass der Mann offensichtlich nicht ihr geistiges Niveau besaß. Ihr fehlten tiefgreifende Gespräche.

Nach einer weiteren Woche des Tändels bemerkte sie, dass zwar die Nachrichtenfrequenz die gleiche geblieben war, die Inhalte jedoch flacher wurden, die Komplimente nachließen, ebenso das Vermitteln von Gefühlen. Die Gespräche wurden immer Sex-lastiger, was die Klientin sich damit erklärte, dass sie einander schon ein paar Tage nicht mehr gesehen hatten. Trotzdem wuchs ihr Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte.

Ein weiteres Treffen wurde ausgemacht, das im Grunde nur dem einen Zweck diente. Sie fand es irgendwie seltsam, dass er “danach” nicht einmal mehr kuscheln wollte. Am nächsten Tag in der Früh verabschiedete er sich ganz nett von ihr mit den Worten, dass er es toll gefunden hätte. Ein seltsames Gefühl blieb bei ihr zurück. Sie schrieb ihm ein nettes sms. Keine Antwort. Nun, das muss ja nichts heißen. Schließlich muss man ja auch etwas arbeiten.

Am Nachmittag dann die Antwort, die sie im Grunde schon erwartet hatte. Es würde ihm etwas Fehlen für eine Beziehung, aber man könne ja befreundet bleiben.

Nun aber zum eigentlichen Thema:

Die Frage meiner Klientin an mich war, was sie wohl falsch gemacht habe. Aus ihrer Schilderung über die Persönlichkeit des Mannes handelte es sich um einen Draufgänger, ein Verkäufertyp, ein Eroberer, der im gleichen Moment, nachdem er bekommen hat, was er wollte, es nicht mehr interessant findet. Gleichzeitig aber auch ein Feigling, der eine Beziehung per sms beendet ohne Gelegenheit der Aussprache.

Sie fragte, ob sie ihn anrufen solle, um mehr über die Gründe zu erfahren. Meine Vermutung, dass er den Anruf nicht annehmen würde, bestätigte sich sofort, als sie es in meiner Gegenwart versuchte.

Also empfahl ich ihr, einen neuen Account in der Single-Börse zu errichten, in der sie einander kennen gelernt hatten. Meiner Einschätzung nach würde er sich dort sofort wieder anmelden und zwar mit fast 100 %iger Sicherheit mit demselben Usernamen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich damit genau richtig lag! 🙂

Meine Befürchtung war nur, dass er dieses Manöver recht schnell durchschauen könnte, wenn sie ihn unter einem anderen Profil ansprechen würde. Ich bin immer der Meinung, dass man sein Gegenüber nicht unterschätzen sollte und wenn sie womöglich irgendwelche Details angesprochen hätte, die ihm nur zu bekannt vorgekommen wären, dann wäre das Spiel sehr schnell aus gewesen ohne die nötigen Informationen zu bekommen.

Aber meine Befürchtungen trafen nicht ein – ganz im Gegenteil. Die Klientin köderte sein Interesse ganz schnell mit ein paar geheimen Vorlieben, die sie angeblich auch teilen würde. Nach einigen Mail mit Inhalten, die sein Vertrauen stärken sollten, lenkte sie das Thema auf “letzte Beziehungen” und schilderte zuerst ihre Erfahrungen. Dadurch herausgefordert begann auch er zu erzählen und damit erhielt sie die Informationen, die sie für sich gebraucht hatte.

Und jetzt wollt ihr sicher wissen, was der Grund im Endeffekt war:
Sie war ihm eine Nummer zu groß. Zu schön, zu intelligent. Bis dato war er nur unterwürfige Frauen gewöhnt, die nicht im Stande waren, sich selbst zu erhalten und obwohl er sich immer das Gegenteil gewünscht hatte, war er nun nicht in der Lage, damit umzugehen. Sie hätte überhaupt nicht in seine Welt gepasst. Und das waren ja schließlich auch ihre eigenen Bedenken im umgekehrten Fall gewesen.

Nachdem sie das wusste, brach sie den Kontakt ab.

Dass es so leicht werden würde, damit hatte ich nicht gerechnet.