Freundlichkeit knackt alle Sicherheitssysteme

Mittwoch, 13 Uhr.

Ich befinde mich im sichersten Bürogebäude Wiens. Am Fuße dieses Turms befindet sich ein Supersecurity-Checkpoint mit mehreren Bildschirmen, die die 8 Aufzüge überwachen. Ohne Zutrittskontrolle durch diesen Checkpoint kommt niemand durch die automatischen Schleusen. Die Büromitarbeiter haben Identity-Cards, die automatisch die Schleusen öffnen. Oder eben nicht, wenn die Karte zerkratzt ist. Besucher müssen sich am Checkpoint anmelden, müssen dann angeben, in welchen Stock sie wollen und zu wem, unterschreiben und erhalten eine Besucherkarte. Für Menschen, die etwas Sperriges zu tragen haben, gibt es eine Extraschleuse, die von Hand von den Security-Bediensteten geöffnet wird.

Alles wirkt sehr professionell, sehr sicher, sehr tough. Keine Ausnahmen!

Wirklich keine Ausnahmen? Ist es wirklich nicht möglich, sich im angeblich sichersten Büroturm Wiens Zutritt zu verschaffen?

Na dann los. Hier ist die Gelegenheit, es heraus zu finden, denn mein Ex-Gemahl hat mich informiert, dass das Päckchen, das ich an seine Büroadresse liefern ließ, nunmehr angekommen sei. Da er sich aber auf einer Reise befinde, habe er es am Empfang der Firma im 18. Stock des Gebäudes deponiert.

Die Empfangsdame ruft mich persönlich an, um mir zu sagen, dass ich es jederzeit holen kann. Ich vereinbare mit ihr, dass ich um13 Uhr eintreffen werde.

Ich kenne das Prozedere am Checkpoint, gehe also schnurstracks dorthin, um mich anzumelden. Der freundliche Security-Mann kramt das Anmeldeblatt hervor, wo sich die Besucher für die Firma XY eintragen müssen. Ich habe schon den Kugelschreiber in der Hand, da kommt seine Kollegin, die ich von früheren Besuchen kenne. Ich rechne nicht damit, dass sie mich erkennt. Schließlich laufen täglich hunderte Besucher an ihr vorbei. Sie sieht mich und sagt zu ihrem Kollegen: „Lass nur, dass ist Frau Haltmeyer, die besucht nur ihren Mann.“

Ah! Toll, sie hat mich erkannt. Was sie natürlich nicht wissen kann ist, dass wir seit einiger Zeit geschieden sind. Und sie weiß auch nicht, dass wir trotzdem ein sehr gutes Verhältnis haben. Soll ich ihr das auf die Nase binden? Lieber nicht. Wer weiß, wofür ich dieses Missverständnis noch brauchen könnte. Aber was ist, wenn ich eine rachsüchtige Ex-Frau bin, die ihrem Mann eine Briefbombe auf den Schreibtisch legen will?

Sie nennt mir einen Aufzug, der in den 18. Stock fährt öffnet die Schleuse und schon bin ich durch. Nun sind mir Tür und Tor geöffnet. Ich könnte nun in jedes beliebige Stockwerk fahren.

Brav, wie ich nunmal bin, fahre ich aber tatsächlich in den 18. Stock und möchte mein Päckchen holen. Ich gehe also zum Firmenempfang. Die Dame, mit der ich gesprochen habe, ist jedoch auf Mittagspause. Ein entzückender Jüngling (ein Praktikant, wie ich später erfuhr) vertritt sie. Ich nenne meinen Namen und ohne weiteres Aufhebens überreicht er mir die Schachtel. Ich hätte auch meine Freundin schicken können. Ich frage, ob er einen Ausweis sehen will. Nein, nein, das geht schon in Ordnung! Soll ich die Übernahme schriftlich bestätigen. Kopfschütteln. Nö, nicht nötig! Ok, auch nicht schlecht. Na dann…

Ich fahre also wieder runter, die Security-Dame öffnet bereitwillig wieder die Schleuse und ich bin raus.

Nun reizt es mich aber doch. Ich gehe zu ihr hin und frage sie, wieso sie sich noch an mich erinnern kann, ich sei doch jetzt schon länger nicht da gewesen (meine unglaubliche Schönheit wird es ja wohl nicht sein 😉  ) Da sagt sie: „Sie sind immer so freundlich, daran erinnert man sich eben.“

Freundlichkeit öffnet also nicht nur die Herzen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes alle Türen.

Probiert es aus!

Eure
Astrid