Digital Natives? Mitnichten!

von Wieland Alge, General Manager Central EMEA bei Barracuda Networks

„Was sollen wir tun?“ Kant stellte sich diese Frage vor über 200 Jahren. Beantwortet hat er sie mit dem kategorischen Imperativ. Wenn wir also im Büchlein „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ nachlesen, könnten wir gescheiter werden.

Leider hat sich der gute Immanuel bezüglich der inflationären Kommunikationsflut recht unkonkret geäußert und wir scheinen ohne historische Anleitungen dazustehen. Als Gesellschaft haben wir keine, aber auch wirklich gar keine Ahnung, was wir denn mit dem Faktum tun sollen, dass wir enorm viele Dinge in Erfahrung bringen können, ohne uns klar darüber zu sein, warum.

Heute meldet Spiegel Online „Schnüffel-Software – Goldman Sachs scannt Mitarbeiter-Mails nach Flüchen“ (http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,709134,00.html). Erst haben Schnüffler genüsslich die bösen Goldmänner und Sachsen zerpflückt. Email-Archive wurden durchsucht und daraus Beweisstücke hochgehalten. Die Bank scheint demnach von ihren eigenen Produkten nicht immer so viel gehalten zu haben, wie sie den Kunden erzählte.

Um sich der Häme nicht ein zweites Mal auszusetzen, werden nun die Mails von Mitarbeitern schon vorsorglich auf Schimpfwörter gescannt. Was wir alle natürlich ganz furchtbar finden. Nur: Einerseits wollen wir genau wissen, was denn die Bahn von ihren Verspätungen und Klimaanlagen selber hält. Dafür würden wir gern alle ihre Mails scannen und den Kollegen nachweisen, dass das alles bewusst in Kauf genommen wurde. Wenn andererseits ein Unternehmen proaktiv nach solchen Dingen sucht, dann sind wir ebenfalls aus dem Häuschen, weil es ja dann die Privatsphäre der Mitarbeiter stört.

Manche von uns bezeichnen sich gern als „Digital Natives“, aber so weit sind wir noch lange nicht. Wir haben gerade mal gelernt, einen Riesenhaufen an speicherbaren, durchsuchbaren und verfügbaren Daten zu schaffen. Warum wir aber was damit machen sollen, wissen wir überhaupt nicht. Und so stolpern wir von einem „Skandal“ zum nächsten und gruseln uns ein bisschen vor dem übernächsten.

Ausweg? Weiß ich noch keinen. Aber zu wissen, dass man nichts weiß, ist mal ein guter Anfang. Besser jedenfalls als die verbreitete Meinung, dass wir das alles bereits im Griff hätten und supersmarte Gesetze, die das alles in die richtigen Bahnen lenken, quasi auf der Hand lägen. Die digitale Kultur und ein Konsens über den Umgang mit Daten entsteht nur Schritt für Schritt.

Gut möglich, dass es erst die Generation nach uns ist, die mit einer gewissen Konsistenz und Souveränität die Allgegenwart von Information und Daten bewältigt.

Wieland Alge